Dienstag, 12. April 2016

Feinheiten


Die Feinheiten machen eine Freundschaft aus, nicht das offensichtliche, nicht das Grobe.
Ich berichte heute mal wieder etwas über meine fast vierjährige „Wunderwaffe“, über meinen besten Freund, Dexter.

Dexter steht seit vergangenem Freitag in einer großen Herde, zusammen mit seinem ihn schon lange anvertrauten Damen und Herren. Nennenswerte Konflikte gibt es nicht, aber so ganz sind einem die anderen Pferde nicht geheuer, die neue Struktur die angestrebt werden sollte, ist noch unklar, die Distanzen zwischen einander verringern sich langsam. Jeder schickt mal jeden weg, wenn er der Meinung ist, dass das „neue“ Herdenmitglied, die alte Struktur gefährden könnte. Nicht boshaft, nicht tretend und beißend, aber konsequent.

Im groben heißt dass, das jeder ehemalige Herdenteil, in erster Linie sein Areal nutzt, und dieses auch nicht verlässt, das kann man sich vorstellen wie zwei unsichtbare Zäune die gezogen wurden. Hin und wieder wandert man jemand rüber, bleibt dort ein Weilchen, und geht wieder zu seiner Ausgangsposition zurück. „Einfach so“, rennt kein Pferd in ein ihm nicht zugehöriges Areal, und stört das dort verweilende Grüppchen.

Dexter ist stark, nahezu weise, extrem friedlich und tolerant. Er ist klar das stärkste Pferd der Gruppe, würde diese Karte aber nie ausspielen. Möchte ein Pferd Dexters Anwesenheit nicht, und versucht ihn wegzuschicken, dreht dieser sich meist gelassen um und geht in aller Ruhe wieder zurück an seinen Platz. Er könnte sich problemlos mit den anderen anlegen und würde diesen Kampf auch gewinnen, ist aber definitiv nicht sein Ding, nicht seine Art, entspricht überhaupt nicht Dexter.
Nun kam es heute so, dass die Stallbesitzerin uns den Paddock/Wiesentrail zeigen wollte, den sie am Wochenende um Wiesen und Paddocks gebaut hatte. Wir gingen über den gesamten Paddock. An der Türe, wurde ich wie immer von meinem riesigen, schwarzen Türsteher empfangen, abgeholt und begleitet. Auch einer seiner Stuten folgte uns. Im ersten Moment habe ich gar nicht bemerkt, dass Dexter hinter mir her, quer durch zwei Areale, die nicht seine sind, und quer durch zwei Pferdegruppen folgte. Ich drehte mich irgendwann erschrocken um, und stellte fest, dass wir, Menschen, vielleicht ein bisschen besser aufpassen sollten, in eine Jagerei oder Keilerei wollten wir schließlich auch nicht geraten.

Auf dem Weg zum Ende des Paddocks drehte ich mich hin und wieder um, um amüsiert festzustellen, dass Dexter hinter mir regelrecht „aufräumte“ und, gemäß seiner ruhigen Art, mit Kopfbewegungen und entsprechenden Blicken, alles pferdige an Seite bugsierte, was uns in irgendeiner Form gefährden könnte. Am gewünschten Ort angekommen, begannen wir unser Gespräch über den Paddocktrail, während Dexter und sein Lieblingsmädel leicht versetzt, wie eine Mauer vor uns standen. Ich konnte aus dem Augenwinkel hin und wieder Dexters Blick erkennen, wobei ich diesen eigentlich hätte gar nicht sehen müssen, alles an Pferden um uns herum, weichte. Wirklich alles und jeder. Selbst solche, von denen Dexter vor lauter Gutmütigkeit (und auch Gleichgültigkeit) etwas ruppiger in den letzten Tagen weggeschickt wurde. In Dexters Gesicht eine absolute Ernsthaftigkeit zu erkennen, nicht böse, nicht drohend und nicht warnend. Bestimmend. „Niemand geht an diese Menschen!“ Diese Ansage wurde Zweifelsfrei von allen Pferden angenommen.

Auf dem Weg zurück zum Ausgang des Paddocks hatte ich auch wieder tierischen Begleitschutz. Diesmal ging Dexter neben mir-hinten gabs ja auch nichts mehr zu regeln- freundlich wie eh und je.

Den, immer noch nicht ausgewachsenen, schwarzen Panzer von Pferd, habe ich anschließend zum Putzen eingeladen. Dösenderweise stand mein schwarzes Seelentierchen in der Sonne, und genoss sichtlich das schöne Wetter, und das Geschrubbe am juckenden, fellwechselnden, eigenem Pelz. Seit Dexters letzter „Wachstumsexplosion“ putze ich oft die oberen Rückenpartien sowie die kaltbluttypische, gespaltene Kruppe, indem ich mich auf etwas draufstelle, meistens auf die Putzkiste. Meine Bandscheiben sind auch nicht mehr die Besten, ich habe sowieso kein Problem damit, wenn andere meinetwegen etwas zu schmunzeln haben und, mal ehrlich, vom Fussboden aus seh ich schon lange nicht mehr, was ich „da oben“ eigentlich putze. 

Heute brauchte ich dass nicht. Ich hielt es erst für ein „Versehen“, einen glücklichen Zufall, wechselte mehrmals bewusst die Seiten, um meine Empfindung zu überprüfen. War kein Zufall. Schlaupferd natürlich schon längst bemerkt, dass ich Schwierigkeiten habe, die oberen Bereiche seiner selbst zu erreichen, und entlastete bewusst immer das mir zugewandte Hinterbein, senkte dabei seine Kruppe ab, und kombinierte so sehr geschickt dösen und Bein entlasten, mit dem Entgegenkommen mir gegenüber.


Wie gesagt, ich habe mehrmals die Seiten gewechselt, und immer wieder wechselte Dexter das zu entlastende Bein, sodass ich immer bequem überall dran kam. Verdutzte Blicke meinerseits. Absolute Selbstverständlichkeit auf Seiten des schwarzen Einhorns.

Mittwoch, 31. Dezember 2014

Der Anfang

Der Anfang...


Dexter ist schon ganz großes Kino...mittlerweile 2,5Jahre alt und immer wieder so wahnsinnig "weise"und reif...

Vor ca. 2 Jahren kam er zu mir, mehr oder minder aus dem Nichts, sehr spontan. Ich hatte seit Jahren nichts mehr mit Pferden zu tun, hab den Umgang mit ihnen aber immer vermisst. Zwischenzeitlich hatte ich mal- eher aus allgemeinem Interesse, nicht aus der spezifischen Suche heraus, diverse Pferdeverkaufsanzeiger durchblättert, aber nichts hat mich in irgendeiner Weise berrührt; den Wunsch, ein Pferd zu finden, habe ich mit vermeindlichen Vernunftsargumenten an Seite geschoben (Zeit, Finanzen...).

Ich habe noch Meerschweinchen, arbeite dort ehrenamtlich im Tierschutz, leiste in erster Line dort Aufklärungsarbeit, wieder mal was die Themen Fütterung und Platz anbegeht, und dass es eben keine Kuscheltiere sind. Könnte man nahezu 1:1 aufs Pferd übertragen, wenn man "Kuscheln" durch "Reiten" ersetzt. Irgendwann, an einem Abend im November, habe ich mich schlicht und einfach verklickt und bin auf der Seite einer Tierschutzorganisation gelandet, die Pferde vermittelt. Und dort hängen geblieben.

Ich musste erstmal lesen, was da Zuchttechnisch mit den Noriker-Pferden in Österreich passiert, war mir bis dato nicht bekannt, auch nicht, wieviel Subventionen dahinter stecken. Auf der Seite schauten mich vier Fohlen an, fixer Schlachttermin in wenigen Tagen. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.

Am nächsten Tag beschloss ich, dass diese jungen Tiere nicht in die Wurst dürfen, und beschloss wagemutig zu handeln. Kurzes Gespräch mit Sandra, die mir Unterstützung garantierte- alleine traute ich mich doch nicht an ein so junges Tier, kurzes Gespräch mit der Stallbesitzerin- alles kein Problem. Kurzes Telefonat nach Österreich, wo ich einen Bauer, irgendwo mitten auf der Alm am anderen Ende der Leitung hatte, kurzes Gespräch mit Transportunternehmen, am Abend noch ne Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Ich hatte an einem Sonntag ein Pferd gekauft. Mal eben so. Ich konnte selber nicht fassen, wie schnell und reibungslos alles ging.

Dexter hörte ich quasi durch das Bild rufen, schreien, bitten um Hilfe. Eine knappe Woche später, es war noch nichtmal eine, aber sie kam mir länger vor, als jede andere Woche in meinem Leben, stand ich dann vor dem elenden Haufen Pferdchen- mein Pferd. Dexter, objektiv betrachtet, in einem grauenhaften Zustand. Völlig verdreckt, verklebtes Fell, nass, reste vom Fohlenflaum die sich verfiltzt hatten, überbaut hoch 100, viel zu dünn, Fehlstellungen der Hufe, der leerste und trübste Ausdruck in den Augen, den ich jemals bei einem so jungen Tier gesehen habe. Jeder, wirklich jeder in diesem Betrieb, der sonst eigentlich durch Blindheit in allen Bereichen hervorsticht konnte dieses Leid wahrnehmen- nur ich nicht, vor lauter Zuneigung, was auch rückblickend betrachtet schon seine Berechtigung hatte.

Dexter kannte nichts, viel zu früh von seiner Mutter entwendet, hatte Angst, ein Halter anzuziehen, Möhrchen wollte er lutschen bzw. aussaugen, er kannte keine. Ihm nicht bekanntes Futter nahm er nicht, überhaupt nahm er kein Futter aus menschlicher Hand, Anbinden endete in Panikattacken, Sandra und Ich putzen ihn meistens, indem ihn Sandra lange locker festhielt und ich ihn vorsichtig putzte. Dexter stand schon einige Tage oder Wochen in Anbinde bzw. Masthaltung. Die Angst war nachvollziehbar. Bürsten und Putzen kannte er nicht, fand aber schnell gefallen daran. Angst, besonders vor Männern. Eine männliche Stimme irgendwo, und Dexter erstarrte zur Salzsäule. Führen ging nur mit 5 Meter Abstand zu mir, hinter mir, mit gesenktem, ängstlichen Köpfchen.

Der Zustand kommt mir wie eine Ewigkeit vor, obwohl es sich schnell änderte. Und wir irgendwie einen Weg zueinander fanden. Der sich dann nochmals deutlich besserte, nachdem ich begriff, mich endgültig von irgendwelchen Methoden zu trennen, und mit Dexter "unser eigenes Ding", unsere eigene Sprache zu sprechen. Eine ganz simple, deutliche, feine. In dieser Hinsicht ist Dexter der Beste Lehrer, der mir je begegnet ist. Nichts mit Druck, nichts mit ziehen und zerren, nichts mit Zwang. Dexter "funktioniert" quasi mit Bitte und Danke. Auffordern, zeigen, bedanken. Mein Gott, was wurde ich oft belächelt. :-) Was habe ich mir oft anhören müssen, dass das "Püppchen" mit dem schweren Pferd doch niemals zurecht kommen würde. Das tat mir damals sehr weh. Nicht viel später, konnten Dexter und Ich uns dann ins Fäustchen bzw. Hüfchen grinsen, während wir gemütlich und locker von A nach B marschierten, kämpften die anderen.

Nachdem die größten Missverständnisse aus dem Weg geräumt wurden, entwickelte sich Dexter körperlich wie psychisch immer mehr zum wirklichen "Dexter". Zu einem unglaulich feinen, liebevollen und fürsorglichen Kumpel- solange man mit ihm anständig umgeht. Mit 2,5Jahren ist Dexter jetzt schon sowas wie eine Lebensversicherung, ich kann mich in unglaublich hohen Maß auf ihn verlassen.

Ich erinnere mich, gerade wenn ich hier im Forum lese oder auch beim Lesen von Maksidas Buch: "Befreie dein Pferd, befreie dich selbst" an Situtionen, in denen Dexter mir dass selbe erklärt und gezeigt hat "Hab ich dir doch gesagt". ;-) 
Thema Gebiss z.B.
Irgendwann war mal eine Pferdedentistin im Stall. Sie wollte sich auch Dexters Zähne ansehen, und begrüßte uns, kurz nachdem sie die damals noch Box von Dexter betretten hatte, mit den Worten: "Der ist bestimmt schwierig". Ich war irritiert: "Nö, ganz im Gegenteil, wie kommst du darauf?" "Der hat ne Ramsnase, Pferden mit Ramsnase sagt man nach, dass sie schwierig sind." Damit hatte sie sich ihr eigenes Grab geschaufelt. Dexter hielt dann erst still, nachdem ich meinen halben Arm im Pferdemaul hatte, und Zähnchen fühlen sollte. Selbst Schuld, mit so einer Haltung kommt die Dame mir sowieso kein Zweites Mal ans Pferd. Sie erklärte mir, dass er Wolfszähne hätte, die man ziehen müsste irgendwann- wegen dem Gebiss.

Ich stand da verdattert, schaute der Dame beim Einpacken und Abziehen zu, und stand noch lange da, und schaute Dexter grübelnd an, und der wiederrum mich. "Dass kann doch nicht richtig sein...warum musst du Zähne gezogen bekommen zum Reiten?" Ich überlegte hin und her, und verkündete dann irgendwann meinem Pony feierlich: "Ne, so nicht, nicht mit uns. Entweder geht dass ohne Gebiss oder es geht gar nicht, die Zähne bleiben wo sie sind!". Dexter sichtlich mit Stolz erfüllt. Mutti hatte Verstanden.

Irgendwann stand ich mal abends mit Sidepull bewaffnet vor Dexters Box, es waren schwierige Zeiten. Ich wollte das Ding eigentlich nur mal anprobieren, hatte dann aber beschlossen, aus Selbstzweifel heraus, die immer mal wieder aufflackerten, das so ein schweres Pferd mit soviel Kraft dann doch nicht so zu managen wäre, nichtmal zum Spazieren gehen. Ich wollte das Sidepull eigentlich gar nicht anprobieren, und wieder so, wie ich es mitgenommen hatte, nach Hause mitnehmen.

Dexter machte sich so lang es geht über die Boxenwand, und packte- dass macht er eigentlich nicht, sein Sidepull selber aus. "Was haste denn da? Lass mal gucken!" Also gut, ich dass Ding ausgepackt, ihm representativ vor die Nase gehalten. Schwupps, war der Dexter drin, und hetzte mich regelrecht, dass Ding anständig über die Ohren zu ziehen. Dexter stand dann stolz wie Oscar mit dem weichesten Sidepull was ich finden konnte in seiner Box, hapste andere Pferde rechts und links neben ihm weg, die daran schnüffeln wollten- ist schließlich seins. Seitdem latschen wir mit dem Sidepull durch die Weltgeschichte, ich halt die Zügel mittlerweile eigentlich nur mit einer Hand lose fest, und komm mir dabei manchmal schon blöd vor, selbst dass ist manchmal zuviel des Guten. Und immer wieder, beim Spazieren gehen, fällt mir auf, dass Dexter noch besser, noch selbstverständlicher reagiert, so weniger ich mit "Kraft" mache. Mit Zeigen und Reden komme ich viel leichter vorran.

Dexter, und auch Johanna, haben uns lange Zeit klar gezeigt, was sie von gerittenen Pferden halten. Johanna eher mit Angst, Dexter mit Angst oder Aggression, immer aber mit einer klaren Tendenz, uns auf dass, was um uns herum geschied, aufmerksam zu machen. Mit Erfolg und Recht. Ich habe beide Pferde nur bei einer einzigen Situation erlebt, wo sie einen Reiter auf einem Pferd erlebt haben, die beide nicht schrecklich sondern ehr interessant und in Ordnung fanden. Eine Einzige! Von gefühlten Tausenden...

Ich bin Dexter unendlich stolz auf Dexter, dass er seine Ängste überwinden konnte, und vertrauen aufbauen konnte. Und auch dafür, dass Dexter sich in seinem Kern nicht verbiegen lässt und auch ganz genau weiß, dass ich das gut heiße. Das konnte ich in diversen Ställen immer wieder beobachten- behandelt man ihn nicht ordentlich, behandelt er den Menschen auch nicht ordentlich, und im Zweifel, glaubt mir, gewinnt dieser Kampf der Dicke. ;-) 

Dexter weiß genau dass er gehört und verstanden wird, ist eine absolut reine und liebe Seele, zu jedermann und zu jedem Tier. Ich habe Dexter noch nie auf irgendein Lebewesen bösartig oder nur grummelig zugehen sehen. Wo er manchmal dieses wahnsinnig hohe Maß an Selbsverständlichkeit und Empathie herholt, ist mir ein Rätsel.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Wachsen...

Einfach mal so heute, ich möchte nur berichten, auch für mich selbst schriftlich festhalten, was mir die letzten Wochen so aufgefallen ist. Irgendwie einen Weg finden, diese tiefen, schwer in Worte zu fassenden Gefühle, für mich und andere nachvollziehbar niederzuschreiben- und die eigentliche Schönheit und Tiefe dahinter, für die ich so dankbar bin, diese erleben zu dürfen, festzuhalten.

Mein großes schwarzes Einhorn ist mittlerweile 2,5 Jahre alt- zumindest biologisch. Bezogen auf seine geistige, auf seine psychische Entwicklung ist Dexter seinem kalendarischen Alter weit vorraus- dass war schon immer so, der "kleine Erwachsene". Erinnerte mich damals stark an mich selber, meine Kindheit, meine Jugend. Eine Eigenschaft, entstanden aus der Not, weil es in gewisser Weise überlebensnotwendig war. Dexter ist da nicht viel anders- genau genommen, nichtmal ein bisschen. Mit einem Unterschied. Sein Umfeld jetzt ist förderlich für ihn, jetzt hat er Halt und Sicherheit durch seine Herde, und seinen Menschen. 


Im Moment erlebe ich ganz stark eine weitere, kognitive Veränderung in ihm, den Zugewinn von mentaler Stärke, das Reifen seiner Psyche. Dexter zeigte schon immer ein hohes Maß an Selbstverständlichkeit, ich hätte nicht gedacht, dass dieses Maß nach oben hin noch weiter ausbaubar ist. Kleinigkeiten, die mir auffallen. Wir gehen spazieren, und Dexter ist mit einem Ohr bei mir, mit dem anderen achtet er auf den Rest der Herde hinter ihm. Wirkliches Vertrauen, in Situationen, die durchaus hätten brenzlig werden können. Ein fahrender Traktor hinter uns oder direkt an uns vorbei, berührt ihm kaum, sofern man ihm sagt und vermittelt, dass der gute Mann hinterm Lenkrad nur seine Arbeit machen möchte- und wir davon in keinster Weise betroffen sind. Worte genügen.


"Kämpfe" beim Spazierengehen bleiben aus- schon länger, im Gegenteil. Ich habe eher das Gefühl, so weniger man auf ihn einwirkt, desto "besser" funktioniert es. 2,5 jähriger Norikerwallach, gefühlte 700kg. Keine Machtkämpfe. Im Moment gehen wir mit Sidepull vor die Türe, aus der Erfahrung heraus hab ich mir schon unbewusst angewöhnt, nur noch mit einer Hand zu führen, wobei Führen das falsche Wort ist, eher halte ich die Zügel. Hin und wieder lege ich ihm diese über den Hals, halte meine Hand nur neben den Zügel, aber eingreifen muss ich nicht. Er achtet ungemein auf mich, weiß, dass ich manchmal mit meinen geschundenen Füßen und lädierten Knieen nicht so schnell kann, passt sich meinem Tempo an, bleibt stehen, wenn es sein muss, argiert neben mir völlig selbstverständlich, ohne dass ich viel sagen oder machen müsste...Ich bin so unfassbar stolz auf ihn! 


Wir werden versuchen, dass langsam auszubauen. Rausgehen zu können, ohne ihn in irgendeiner Form "führen" zu müssen, weil dies nicht mehr nötig ist. Ansätze davon, durfte ich vor einem Jahr schon erleben. Ich bin mir sicher, dass das mit ihm Möglich ist, und ich freu mich, auf unseren weiteren Weg.


Hin und wieder merkte ich, dass er gerne laufen würde, über Felder galoppieren. Der Wunsch, dass Gefühl von Freiheit zu erleben. Den Wunsch teile ich mit ihm.

Er unternimmt nicht den Versuch, ich spüre nur den Wunsch danach neben mir wachsen. Leider ist dass nicht realisierbar- weder kann ich so schnell laufen, noch würde der Bauer das begrüßen. Ohne Worte, ohne Gesten versteht er, akzeptiert den Zustand, ohne aufkommende Frustration oder Enttäuschung. Im Gegenteil, er scheint in einer stillen Art zufrieden darüber, dass sein Wunsch gehört und verstanden wurde. Dexters Meinung nach ist nichts wichtiger.


Im Durchaus matschigen Offenstall habe ich Probleme mich zu bewegen. Auch dass, ist ihm aufgefallen. Er geht mit mir, langsam, achtet darauf, dass auch ich, mit meinen schlecht-sitzenden "Menschenhufen" mitkomme, bleibt ggf. stehen oder erlaubt mir, mich an ihm festzuhalten, und mich dann so aus dem Matsch zu ziehen. Unabhängig davon, ob zwischen uns noch ein Zaun ist oder nicht. "Du passt auf mich auf- und ich auch auf dich." ganz selbstverständlich für ihn. Keine demütige Dankbarkeit, sondern ganz selbstverständlich.


Hin und wieder "spielt" er dann doch noch, was mich sehr freut. Lässt sich leicht zurückfallen, um dann mit dem Blick zu mir, und einen amüsierten Blick in den Augen zu mir aufzutraben. "Weißt du noch?". So haben wir das vor einiger Zeit, die mir vorkommt wie eine Ewigkeit, geübt. Dafür gibts dann immer noch Kekse, einfach nur so, für diese charmante Art, an unseren Weg zu erinnern.


Mein kleiner, großer Erwachsener. Mein dickes Pony mit so viel Fell und noch mehr Herz! 



Jetzt lese ich nochmal, was ich geschrieben habe, um festzustellen, dass es bei weitem nicht die Tiefe erreicht, die ich in solch kleinen Momenten empfinde- die wir empfinden. Aber ich denke, ihr versteht mich dennoch, trotzdem. Manche Dinge kann man vielleicht wirklich nicht in  Worte fassen, sondern nur spüren- da unsere Sprache für eine solch Tiefe nicht ausgelegt ist.

Freitag, 26. September 2014

Danke!

Meine Bücherkisten mit alten und neueren Pferdebüchern quillt immer noch über, stehen in der Ecke und langsam nagt der Zahn der Zeit an den ersten, sie vergilben, setzen Staub an. Mit Dexter und entsprechenden Pflegeutensilien, Futtermitteln und dergleichen, zog vor einiger Zeit noch viel vermeintliche "Fachliteratur" bei mir ein. Ich war überfordert, suchte Hilfe und Ratschläge in Büchern, mit Titeln wie "Was tun mit dem jungen Pferd?" "Fohlen: Vom Absetzer bis zum ersten Reiten", "Jungpferdeerziehung"...Die Liste ließ sich bis ins unendliche fortsetzen. 

Irgendwie war es immer schon so, selbst in Zeiten von tiefster Unsicherheit, das dass, was ich da zu lesen bekam, weder mit meinem Pferd, noch mit meinem inneren Gefühl übereinstimmte. Ich las von Funktionalität, von Respekt und von Durchsetzen, vom Erreichen von Zielen, dem richtigen Longieren und vielleicht auch dem richtigen Anreiten. 
Raum für Individualität ist kaum gegeben- gewisse Dinge "müssen" beherrscht werden, und funktionieren...

Müssen sie wirklich? Im Laufe meiner Entwicklung mit Dexter, landeten immer mehr dieser Bücher in den Karton, indem sie heute ihr dasein fristen. Ich wollte kein Pferd, dass "gehorcht", weil es dass muss. Ich wollte kein Pferd, dass aus vermeintlichen Respekt- eher latenter Angst, tut, was ich gerne hätte.

Seitdem ich Dexter habe, bin ich auf kein anderes Pferd mehr mit ernsthaften Reitabsichten gestiegen. Es erschien mir einfach nicht richtig, wenn ich schon Zeit im Stall/ auf der Wiese verbringe, die nicht mit meinem Pferd zu verbringen. Nach nunmehr fast 2 Jahren, mit den Füßen auf den Boden der Tatsachen und meinem Pferd an meiner Seite statt unter mir, sehe ich einiges, nein, alles, anders als zuvor.

Es gibt nicht die Methode. Methodik ist in meinen Augen nur ein Mittel, eigene Unsicherheit und vor allem eigene emotionale Unzulänglichkeit hinter einem Tarnmantel aus Wissen zu verdecken. Reiten, ist nicht das "große Ziel des Ganzen". Es geht nicht um stupide Funktionalität der Sache Pferd- es geht um viel tiefere Gefühle.

Ein Team zu werden und zu bleiben, füreinander da zu sein, auch in Phasen, wo weder Mensch noch Pferd augenscheinlich in irgendeiner Form "funktionieren". Miteinander Schmerzen, Unlust, Motivation und Freude zu teilen, sich den Bedürfnissen des anderen anpassen- mitleben und mitfühlen, und nicht die menschlichen Ansprüche und Wünsche über die des Tieres zu stellen.


Dass wollte ich nicht. Ich wollte einen Freund, einen Kumpel, mit eigenen Gefühlen und dem Grundvertrauen, diese Gefühle und Bedürfnisse auch mitzuteilen, einen Freund, auf den ich mich in schwierigen Situationen verlassen kann, aber nicht, weil er sonst mit Konsequenzen fürchten muss. Einen Kumpel, mit eigener Meinung, eigenen Werten und einen eigenen Kopf, der nicht stupide macht, was ich anbiete, sondern eigene Ideen entwickelt und zeigt, der mit Motivation neue Dinge lernt und ausprobiert- aber eben nicht, weil er das Gefühl hat, das er dass muss.


Einen Weg der eigenen, individuellen Kommunikation mit einander zu finden- basierend auf Vertrauen und Liebe, der Grundbedingung für alles.

Ich bin so unendlich dankbar für all die Erfahrungen der knapp letzten beiden Jahren! Ich bin so unglaublich stolz, auf dass, was Dexter und auch Ich gelernt haben- und damit meine ich nicht synchron Rückwärts zu gehen. Ich bin so unglaublich dankbar dafür, Szenarien erlebt zu haben, wo all unsere Pferde bewiesen haben, dass sie füreinander da sind- und dass dieses füreinander vor uns keinen Halt macht. Momente, in denen unsere Pferde uns beschützt und verteidigt haben, Momente, in denen unsere Pferde klar zeigten, wie wichtig, und wie leicht und anders alles sein kann- wenn man sich nur gegenseitig zuhört.

Danke!

Insbesondere meinen persönlichen Dank an mein schwarzes Einhorn, meine alte Seele in einem (viel zu großen) Pferdekörper. Niemand von uns beiden hat hier jemanden gerettet. Sondern wir uns gegenseitig.

Mittwoch, 24. September 2014

Von Schmerz und Heilung

Am Sonntag habe ich mich trotz starker Schmerzen in meinem Knie auf den Weg zu meinem schwarzen Einhorn, meiner Seele auf vier Hufen, begeben. Schon Tage zuvor hatte ich mir Sorgen um ihn gemacht- schließlich bin und war ich nicht die einzige mit Schmerzen im Knie. 

Auf der Wiese angekommen machte ich es mir einige Zeit auf einer Decke bequem, streckte mein schmerzendes Bein von mir und beobachtete die Pferde. Dexter kam immer wieder auf mich zu, blieb vor mir stehen, schaute mich direkt an und "unterhielt sich" mit mir. Im Ernst, ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Tier gesehen, welches mir entgegen getreten ist mit einer so lebhaften Mimik, nahezu Gestik. Seine warmen Augen strahlten Besorgnis aus, ein wildes Spiel der Ohren, wieder schaute er mich an, um sich zu vergewissern, ob ich verstanden hätte. Ich verstand nichts.

Dexter ist, was solche Dinge angeht, meist sehr geduldig mit mir. Alternativ ging er auf Johannes zu, exakt mit dem gleichen kommunikativen Ausdruck und Mitteln, und versuchte da, seine Nachricht an den Mann zu bringen- funktionierte auch nicht. Das ganze wiederholte sich dann mehrere Male, im Wechsel zwischen mir, und meinem Freund Johannes. Verstanden, hat an diesem Tag niemand von uns beiden etwas.

Das Szenario ließ mich nicht los, ich dachte lang und breit nach, was Dexter denn so dringlich und mit Nachdruck mitteilen wollte. Am Abend stieß ich auf die Lösung. Ich hatte mich, im stillen, mehrmals bei ihm entschuldigt, dass ich nicht da war, mich nach seinen Schmerzen erkundigt, und ihn gebeten, falls er meinen Schmerz spiegeln sollte, ihn doch bitte bei mir zu belassen. Dass war falsch.

Dexter wollte nur Mitteilen, dass ich mich weder entschuldigen, noch Sorgen müsste. Es wäre alles in bester Ordnung, und mit soviel Sorgen im Herzen würde niemand gesund werden. Zum Thema Schmerz entgegnete er nur, dass wir uns versprochen hätten, Schmerzen gemeinsam durchzustehen, egal ob seine oder meine.

Am nächsten Morgen war ich früh im Stall. Noch leicht verschlafende, aber unglaublich warme, liebende Pferdeaugen begrüßten mich, strahlten, schienen glücklich.

Seit exakt diesem Tag am Wochenende, geht es meinem Knie viel viel besser. Und auch Dexters überstrapazierte Bänder haben sich deutlich gebessert.

Klingt verrückt, ich weiß, entspricht aber der vollsten Wahrheit. Vor gar nicht so langer Zeit, hätte ich beim Lesen dieses Textes wahrscheinlich Psychopharmaka empfohlen. Aber was bedeutet jetzt noch die Zeit, die vor dem jetzigen "Wir" lag...

Mein Bester!