Die Feinheiten machen eine Freundschaft aus, nicht das
offensichtliche, nicht das Grobe.
Ich berichte heute mal wieder etwas über meine fast
vierjährige „Wunderwaffe“, über meinen besten Freund, Dexter.
Dexter steht seit vergangenem Freitag in einer großen Herde,
zusammen mit seinem ihn schon lange anvertrauten Damen und Herren. Nennenswerte
Konflikte gibt es nicht, aber so ganz sind einem die anderen Pferde nicht
geheuer, die neue Struktur die angestrebt werden sollte, ist noch unklar, die
Distanzen zwischen einander verringern sich langsam. Jeder schickt mal jeden
weg, wenn er der Meinung ist, dass das „neue“ Herdenmitglied, die alte Struktur
gefährden könnte. Nicht boshaft, nicht tretend und beißend, aber konsequent.
Im groben heißt dass, das jeder ehemalige Herdenteil, in
erster Linie sein Areal nutzt, und dieses auch nicht verlässt, das kann man
sich vorstellen wie zwei unsichtbare Zäune die gezogen wurden. Hin und wieder
wandert man jemand rüber, bleibt dort ein Weilchen, und geht wieder zu seiner
Ausgangsposition zurück. „Einfach so“, rennt kein Pferd in ein ihm nicht
zugehöriges Areal, und stört das dort verweilende Grüppchen.
Dexter ist stark, nahezu weise, extrem friedlich und
tolerant. Er ist klar das stärkste Pferd der Gruppe, würde diese Karte aber nie
ausspielen. Möchte ein Pferd Dexters Anwesenheit nicht, und versucht ihn
wegzuschicken, dreht dieser sich meist gelassen um und geht in aller Ruhe
wieder zurück an seinen Platz. Er könnte sich problemlos mit den anderen
anlegen und würde diesen Kampf auch gewinnen, ist aber definitiv nicht sein
Ding, nicht seine Art, entspricht überhaupt nicht Dexter.
Nun kam es heute so, dass die Stallbesitzerin uns den
Paddock/Wiesentrail zeigen wollte, den sie am Wochenende um Wiesen und Paddocks
gebaut hatte. Wir gingen über den gesamten Paddock. An der Türe, wurde ich wie
immer von meinem riesigen, schwarzen Türsteher empfangen, abgeholt und
begleitet. Auch einer seiner Stuten folgte uns. Im ersten Moment habe ich gar
nicht bemerkt, dass Dexter hinter mir her, quer durch zwei Areale, die nicht
seine sind, und quer durch zwei Pferdegruppen folgte. Ich drehte mich
irgendwann erschrocken um, und stellte fest, dass wir, Menschen, vielleicht ein
bisschen besser aufpassen sollten, in eine Jagerei oder Keilerei wollten wir schließlich
auch nicht geraten.
Auf dem Weg zum Ende des Paddocks drehte ich mich hin und
wieder um, um amüsiert festzustellen, dass Dexter hinter mir regelrecht „aufräumte“
und, gemäß seiner ruhigen Art, mit Kopfbewegungen und entsprechenden Blicken,
alles pferdige an Seite bugsierte, was uns in irgendeiner Form gefährden
könnte. Am gewünschten Ort angekommen, begannen wir unser Gespräch über den
Paddocktrail, während Dexter und sein Lieblingsmädel leicht versetzt, wie eine
Mauer vor uns standen. Ich konnte aus dem Augenwinkel hin und wieder Dexters
Blick erkennen, wobei ich diesen eigentlich hätte gar nicht sehen müssen, alles
an Pferden um uns herum, weichte. Wirklich alles und jeder. Selbst solche, von
denen Dexter vor lauter Gutmütigkeit (und auch Gleichgültigkeit) etwas ruppiger
in den letzten Tagen weggeschickt wurde. In Dexters Gesicht eine absolute
Ernsthaftigkeit zu erkennen, nicht böse, nicht drohend und nicht warnend.
Bestimmend. „Niemand geht an diese Menschen!“ Diese Ansage wurde Zweifelsfrei
von allen Pferden angenommen.
Auf dem Weg zurück zum Ausgang des Paddocks hatte ich auch
wieder tierischen Begleitschutz. Diesmal ging Dexter neben mir-hinten gabs ja
auch nichts mehr zu regeln- freundlich wie eh und je.
Den, immer noch nicht ausgewachsenen, schwarzen Panzer von
Pferd, habe ich anschließend zum Putzen eingeladen. Dösenderweise stand mein
schwarzes Seelentierchen in der Sonne, und genoss sichtlich das schöne Wetter,
und das Geschrubbe am juckenden, fellwechselnden, eigenem Pelz. Seit Dexters
letzter „Wachstumsexplosion“ putze ich oft die oberen Rückenpartien sowie die
kaltbluttypische, gespaltene Kruppe, indem ich mich auf etwas draufstelle,
meistens auf die Putzkiste. Meine Bandscheiben sind auch nicht mehr die Besten,
ich habe sowieso kein Problem damit, wenn andere meinetwegen etwas zu
schmunzeln haben und, mal ehrlich, vom Fussboden aus seh ich schon lange nicht
mehr, was ich „da oben“ eigentlich putze.
Heute brauchte ich dass nicht. Ich
hielt es erst für ein „Versehen“, einen glücklichen Zufall, wechselte mehrmals
bewusst die Seiten, um meine Empfindung zu überprüfen. War kein Zufall.
Schlaupferd natürlich schon längst bemerkt, dass ich Schwierigkeiten habe, die
oberen Bereiche seiner selbst zu erreichen, und entlastete bewusst immer das
mir zugewandte Hinterbein, senkte dabei seine Kruppe ab, und kombinierte so
sehr geschickt dösen und Bein entlasten, mit dem Entgegenkommen mir gegenüber.
Wie gesagt, ich habe mehrmals die Seiten gewechselt, und
immer wieder wechselte Dexter das zu entlastende Bein, sodass ich immer bequem
überall dran kam. Verdutzte Blicke meinerseits. Absolute Selbstverständlichkeit
auf Seiten des schwarzen Einhorns.